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Archive for November 2009

Unter Opfern

Heute, 29.11.2009, wurde von mir unter http://www.17juni1953.de > Presse ein weiterer Artikel eingestellt: „Freiheitsglocke und Selbstverständnis“.
Ich habe lange über diese Gedanken gegrübelt. Wochenlang hatte ich gehofft, dass sich der größte Opfer-Verband selbst aus den eigenen Kalamitäten zieht, mein Rücktritt aus dem Bundesvorstand eine Form von Selbstreinigung auslöst. Leider (oder erwartungsgemäß?) vergeblich.
Heute komme ich von der Projektversammlung der UOKG in Hohenschönhausen zurück. Hochinteressanter Vortrag von Prof. Weberling, Neuwahlen mit neuen Ergebnissen, Austausch von Erfahrungen in den Verbänden, unter Kameraden. Nichts Neues also?

Doch. Immer wieder neu sind für mich die Erfahrungen mit den besonderen Befindlichkeiten der  Kameraden. Da tritt ein (nicht mehr gewähltes) Vorstandsmitglied vorzeitig zurück, weil er sich abgemeiert sieht. Da versäumt es der Vorsitzende, in seinem Rechenschaftsbericht auch einmal Namen zu benennen, Verdienste anzuführen, Wärme zu vermitteln. Und da beginnt erneut ein Streit um die Formen des Umgangs mit- und untereinander.
Ich bin noch nachdenklicher geworden. Vielleicht fordern wir voneinander zuviel, berücksichtigen zu wenig auch das bei den Stasi-Opfern vorhandene Stockholm-Syndrom oder all die anderen schrecklichen Seelen-verbiegenden Machenschaften eines inhumanen Systems. Wir können nur begrenzt selbst an den Folgen dieser jahrzehntelangen Unrechtsbehandlungen arbeiten. Helfen muss und kann nur die Gesellschaft mit begleitenden Maßnahmen, mit Verständnis für die Problematiken, mit offenen und ehrlich gemeinten Hilfsangeboten.

Und wir? Wir können uns solange nur immer wieder neu bemühen, versuchen, das uns oftmals vorenthaltene Verständnis selbst aufzubringen. Der Versuch ist es wert, jeden Tag.
Auch – vielleicht gerade – unter Opfern.

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Berlin: Neuer Vorstand UOKG

Während der Projektversammlung der UOKG-Mitgliedsverbände in Berlin- Hohenschönhausen wurde ein neuer Vorstand gewählt:
1. Rainer Wagner, Vorsitzender (wie bisher),
2. Ernst O.  Schönemann, stv. Vorsitzender (neu), Zwangsausgesiedelte,
3. Theo Mittrup, stv. Vorsitzender (neu), BSV-Förderverein,
4. Lothar Scholz, Beisitzer (bisher stv. Vorsitzender), AG Workuta
5. Anita Gossler, Beisitzerin (neu), Frauenkreis ehem. Hoheneckerinnen,
6. Siegmar Faust, Beisitzer (wie bisher), Menschenrechtszentrum Cottbus
7. Richard Buchner, Beisitzer (wie bisher), AG Sachsenhausen u.a.

Auch Carl-Wolfgang Holzapfel wurde vorgeschlagen, erklärte aber, nicht gegen den bisherigen Vorsitzenden zu kandidieren.
Der neue Vorstand tritt sein Amt zum 1.Januar 2010 an.

Polit-Offizier der NVA und SED-Mitglied

Die CDU in Mecklenburg-Vorpommern „akzeptiert“ die Wahl eines ehemaligen Polit-Offiziers der NVA zu einem ihrer Kreisvorsitzenden. Die Union setzt damit ihren Spagat
zwischen Angriffslust auf die Post-Kommunisten (wegen deren Akzeptanz belasteter Kader)
und Duldung eben dieser Kader in den eigenen Reihen fort.
Frank Benischke (45) war auch SED-Mitglied. Ein „Na und?“ wäre zwar zu schnöselig, aber
2 Millionen Menschen wegen einer einstigen Fehlentscheidung auf Dauer von der Demokratie auszugrenzen, hat auch etwas mit Überheblichkeit zu tun. Es schadet außerdem dem Anspruch, möglichst viele Menschen von der Freiheit und dem daraus resultierenden demokratischen Bewusstsein zu überzeugen.

Aber Polit-Offizier der NVA? Das waren die Einpeitscher, die kommunistischen Statthalter
zwischen Todesstreifen, Mauer und Stacheldraht, die regelmäßig junge Menschen vergatterten, auf Menschen zu schießen, weil Flüchtlinge als Staatsfeinde zu vernichten seien. Da hilft auch die Berufung auf eine Bundeskanzlerin nicht, die ehemals FDJ-Sekretärin war. (Das kann man auch als einen Beitrag zur Einheit sehen.) Aber eine FDJ-Sekretärin hat weder auf Flüchtlinge geschossen, noch andere veranlasst, sich über die Regeln der Menschlichkeit hinweg zu setzen.
Ein ehemaliges SED-Mitglied in einer ehemaligen Block-Partei, das ist mir allemal lieber als ein einstiges SED-Mitglied bei den Post-Kommunisten. Ein ehemaliger Polit-Offizier der NVA als nunmehriger Kreisvorsitzender der CDU, das erscheint mir als Widerspruch zu dem
Selbstverständnis dieser Partei. Und als Dolch in den Rücken der Parteifreunde, die gerade in Brandenburg zu Potsdam gegen einstige Systemträger anrennen.

Noch sind diese Widersprüche regional angesiedelt. Aber die Bundeskanzlerin sollte in ihrer Eigenschaft als Parteivorsitzende ein Auge darauf haben, dass diese regionalen Dissonanzen nicht in das Bewusstsein aller Wähler dringen. Der ist nämlich kritischer und – Gott sei Dank – bewegungsfähiger geworden. Und wenn eine Partei ihre Glaubwürdigkeit verliert, sieht sie sich schneller auf der Oppositionsbank wieder, als ihr lieb ist. Siehe SPD.

27.11.2009

BILD-Moral

24. November 2009 1 Kommentar

„Wirbel um Mode-Fotos am Holocaust-Mahnmal“ titelte BILD am Montag auf Seite 9. Wenn auch sehr bescheiden als Einzeiler. Brrrr. Gut, dass wir BILD haben, das führende Boulevard-Blatt. Wo bliebe der moralische Aufschrei beim morgendliche Kaffee, in der S- oder U-Bahn, am Arbeitsplatz, wenn wir BILD nicht hätten.
So werden wir kurz und knapp darüber informiert, dass EasyJet, eine Fluggesellschaft, diese „unsensiblen und rücksichtslosen“ Fotos, so die Gesellschaft, auf dem Gelände des Holocaust-Mahnmals gemacht habe. Und BILD distanziert sich durch die „Wirbel“-Zeile.
BILD weiß, dass Zeitungszeilen flüchtiger sind, als Herbstblätter im fegenden Wind. So vertraut BILD neben der kommerziell genutzten moralischen Entrüstung auch auf die Vergesslichkeit ihrer Leser. Am vergangenen Freitag, nur drei Tage zuvor, hatte eben diese BILD noch halbseitig über ein Foto-Shooting im ehemaligen Frauenknast von Berlin-Charlottenburg berichtet, natürlich in Farbe. Leicht bekleidete Damen räkelten sich schauerlich schön vor der düsteren Kulisse der Knast-Zellen. Moral? Bewahre. Weiß doch nicht Jeder, dass in diesen Mauern auch Widerständler gegen Hitler auf ihre Hinrichtung warteten, zum Beispiel Gräfin Brockdorff. Sie wurde auf persönliche Intervention von Hitler zusammen mit 13 anderen Widerständlern 1943 in Plötzensee hingerichtet.
Der Teufel steckt bekanntlich im Detail. Und so verkauft sich eine schaudernde Distanz von Unsensibilität und Rücksichtslosigkeit, wenn auch klein gedruckt, ebenso gut, wie unsensible und rücksichtslose Fotos von einem prickelnden Foto-Shooting im Frauenknast. Und alles muss man ja nicht wissen. BILD sagt uns ja, was wir wissen müssen. Eben. BILD-Moral.
23.11.2009

Stasi-IM im Brandenburger Landtag: Es diestelt

Kritik ist sinnvoll. Sie verliert allerdings an Wirkung, wenn sie permanent wiederholt wird, ohne die durch diese Kritik veranlaßten Veränderungen einzubeziehen. DIE LINKE in Brandenburg stellt sich nun den Konsequenzen aus einer Regierungsbeteiligung. Sie will ihren Stasi-IM Gerd-Rüdiger Hoffmann auffordern, die Fraktion zu verlassen oder – noch besser – sein Mandat niederzulegen.

Nun gehört Hoffmann ja schon seit 2004 dem Landtag an, und keiner hat seine einstige IM-Tätigkeit bemerkt. Und: Die Fraktionsvorsitzende Kaiser war selbst IM. Das ist alles verwirrend. Nichts Neues aus Brandenburg?

Ich meine: Doch. Von der IM-Tätigkeit Hoffmanns wußte vor der neuen Legislatur augenscheinlich auch nicht die Partei. Bei Kaiser war dieser schmuddelige Lebensabschnitt dank eigener Einlassungen längst bekannt. Kaiser verzichtete auf ein Regierungsamt, immerhin. Und fordert jetzt Kosequenzen in Sachen IM-Kollege. Es bewegt sich also etwas in dieser Partei, die sich noch immer schwer tut mit der geradlinigen Vergangenheitsbewältigung. Und ihre Kritiker täten gut daran, diesen Zug in die richtige Richtung konstruktiv zu begleiten, als durch undifferenziertes "Haltet den Dieb" die Kräfte von gestern zu stärken.

Aber auch die CDU bekommt allmählich ein echtes Problem. Während sie ehrenwert für die Aufdeckung und Entfernung ehemaliger IMs aus dem Landtag streitet, verteidigt nach wie vor ein  ehemaliger Innenminister dieser Partei vehement die alten Stasi-Seilschaften. Peter-Michael Diestel findet nach wie vor nichts dabei, seine Klientel in diesem Bereich zu finden und lauthals sein gesellschaftliches Contra zu formulieren. In anderen Landstrichen saßen oder sitzen belastete Kader der alten SED für die Christsozialen in Amtssesseln. Die CDU sollte sich auch hier endlich positionieren, sonst bekommt sie ein Glaubwürdigkeitsproblem. Auch wenn Diestel nicht mehr dieser Partei dient: Es diestelt nach wie vor – und die CDU schweigt.

24.11.2009

Freiheitsschwur von Philadelphia

22. November 2009 4 Kommentare
Freiheitsglocke

Im Kalten Krieg Symbol der Freiheit

Der Wortlaut des Freiheitsschwurs von Philadelphia:

„Ich glaube an die Unantastbarkeit und an die Würde jedes einzelnen Menschen. Ich glaube, dass allen Menschen von Gott das gleiche Recht auf Freiheit gegeben wurde. Ich verspreche, jedem Angriff auf die Freiheit und der Tyrannei Widerstand zu leisten, wo auch immer sie auftreten mögen.“

Bis zur Wiedervereinigung läutete die Freiheitsglocke im Turm des Rathauses Schöneberg in Berlin (West) jeden Sonntag um 12 Uhr. Das Geläut wurde regelmäßig vom Radiosender RIAS Berlin übertragen und war für unzählige Menschen hinter dem Eisernen Vorhang ein Zeichen der Hoffnung.

Nach dem Fall des Eisernen Vorhangs sind die Völker Europas zwar frei, aber viele Völker auf dieser Welt harren nach wie vor der Verwirklichung dieses Schwurs.

Weitere Informationen zur Freiheitsglocke auf der Website des Deutschlandradio Kultur