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Archive for Januar 2010

Ein Zwischenruf zu Stalin

Das ist eine Titel-Überschrift aus der Berliner Tageszeitung DER TAGESSPIEGEL von heute (Sonntag, 17.01.2010). Erfahren habe ich davon durch einen strukturierten Pressespiegel, den ein Kamerad (meist) tagtäglich an diverse Personen (die er mag) via Internet verschickt. Das finde ich fleißig und lobenswert, und als ich noch im Verteiler war, habe ich mich darüber gefreut. Nicht jeder Verein betreut seine Mitglieder so ausgesucht informativ.
Natürlich macht man sich Gedanken, warum man sich plötzlich nicht mehr im Kreis der Auserwählten befindet. Ganz erklären konnte ich mir das nicht.
Als ich den vorgenannten Artikel las, keimte so ein Gedanke in mir auf: Besagter Kamerad hat im Augenblick große Probleme, weil eine vom Bundesvorstand initiierte Abstimmung in die Kritik geraten ist (siehe hierzu: http://www.17juni1953.de – Presse). Und besagter Kamerad zeichnet sich auch dadurch aus, dass er Probleme erst gar nicht an sich herankommen lässt. Sonst wäre ihm sicherlich die Ironie aufgefallen, die in der Verbreitung gewisser Passagen aus dem TAGESSPIEGEL-Artikel liegt. Bitte lesen Sie mit:

„Es sind die ganz alten Reflexe, die bei der Linken in der Führungskrise den Weg weisen. Kritik und Selbstkritik, Denunziation, Verleumdung, Schauprozess, Säuberung. Der ganze Instrumentenkasten des Stalinismus kam bei der Partei Oskar Lafontaines und Gregor Gysis in den vergangenen Wochen zum Einsatz. Einen Führungs- und Richtungsstreit offen auszutragen, mit Kampfabstimmungen und außerordentlichen Parteitagen? Warum denn, wenn es auch anders geht? Die Linke hat, sooft sie in der Vergangenheit das Gegenteil von sich behauptete, den Weg in die Demokratie noch nicht gefunden.“

http://www.tagesspiegel.de/meinung/kommentare/Linek-Gysi-Bartsch-Lafontaine-Stalin;art141,3004089

Ist Ihnen die Ironie auch aufgefallen? Zur Verdeutlichung hier noch einmal der geringfügig veränderte Text:

„Es sind die ganz alten Reflexe, die dem Verband in der Führungskrise den Weg weisen. Kritik und Selbstkritik, Denunziation, Verleumdung, Schauprozess, Säuberung. Der ganze Instrumentenkasten des Stalinismus kam bei dem Bundesvorstand des fraglichen Kameraden in den vergangenen Wochen zum Einsatz. Einen Führungs- und Richtungsstreit offen auszutragen, mit Kampfabstimmungen und außerordentlichen Generalversammlungen? Warum denn, wenn es auch anders geht? Der Verband hat, sooft er in der Vergangenheit das Gegenteil von sich behauptete, den Weg der Demokratie offenbar noch nicht gefunden.“

Ein Schelm, der Böses dabei denkt und dabei riskiert, abgestraft zu werden. Und wenn es nur die Einstellung des lieb gewordenen Pressespiegels ist. Der wird mir dankenswert von anderen Kameraden übermittelt, die noch nicht in Ungnade gefallen sind. Und da nehme ich die dreifache Zuleitung gerne inkauf. Wer weiß, vielleicht verringert sich die Anzahl der Zusendungen von ganz alleine? Sicher ist sicher.

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Von Philosophen, Patrioten und Antisemiten

Am vergangenen Wochenende (9./10.01.2010) berichtete die Süddeutsche Zeitung über die Anstrengungen, den Namen einer Universität zu ändern. Die Uni Greifswald sei nach einem höchst umstrittenen Patrioten und Antisemiten benannt: Ernst Moritz Arndt. Nun kann man ja über Namensgebungen trefflich streiten. Und immer wieder gibt es Ausnahmen von der Regel, werden Namen emotional aus der Aktualität heraus vergeben, so, um nur ein Beispiel zu nennen, nach dem die Welt bewegenden Tod von Dallas. Die John-F.-Kennedy-Benamungen für Plätze, Straßen und Einrichtungen wurden selbstverständlich. Ob das unsere Nachkommen nachvollziehen können, wissen wir nicht.

Anders werden die Namen wahrgenommen, an die sich bereits Generationen gewöhnt haben und die nun plötzlich aus einem gewandelten Zeitgeist heraus verändert, gar abgeschafft werden sollen. Dabei steht immer die Unverträglichkeit mit taggleichen Überzeugungen und Erkenntnissen im Vordergrund. Geschichte wird in den Fokus eines Aktualitäten-Kinos gestellt. (Kennen Sie noch das „Aki“ an der Ecke? Wo wir uns gleich vier Wochenschauen an einem Stück anschauen konnten und die Welt auf einen kleinen Filmvorführungsraum in der City schrumpfte?) Aber kann man so mit Geschichte umgehen?
Zugegeben, ich habe an anderer Stelle auch schon für die Abschaffung der Karl-Marx-Allee in Berlin plädiert. Denn wenn man aus den antisemitischen Schriften des Philosophen als Karl Marx verkleidet vorlesen würde, wie dies Sebastian Jabusch von der Anti-Arndt-Initiative laut SZ in der Kostümierung von E.M.A zelebriert hat, dann würden viele Bürger, ob links oder mittig, vielleicht sogar von rechts, die Polizei rufen. Denn was der so verehrte Kapitalismus-Kritiker, selbst Jude, da so an antisemitischen Lehrsätzen von sich gab, lässt uns heute die Haare zu Berge stehen. Eine Umbenennung der Allee im Herzen Berlins in eine „Straße des 9.November“ wäre also durchaus angezeigt, zumal Karl Marx noch würdig genug in Neukölln, einem großen Berliner Bezirk im ehemaligen West-Berlin, strassiert ist.

Freilich hat eine Straße nicht die Bedeutung wie eine Universität. Wer denkt schon in der „Straße des 17.Juni“ über den ersten Volksaufstand im kommunistischen Machtbereich nach 1945 nach? In einer Universität wird schon vom Selbstverständnis her reflektiert, geforscht, gelehrt und gelernt. Soll man also wirklich zweifellos historisch begründete Namen einzig aus einem aktuellen Bauch-Gefühl heraus verändern, abschaffen? Ist nicht der Umgang, die permanente Auseinandersetzung mit einem Namen bzw. dem Namensgeber eine faszinierende Möglichkeit, sich mit dessen Zeit, der seinerzeitigen Geschichte zu befassen? Gerät nicht ein wichtiger Teil unserer Kultur-Entwicklung ins Abseits, wenn wir uns von unliebsamen Namen trennen, nur weil uns gewisse Kanten im Lebenslauf der Namensgeber nicht mehr gefallen oder wir für einen flüchtigen Augenblick die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit einheimsen können, wollen?

Nein, liebe Greifswalder Studenten, so lässt sich Geschichte nicht begreifen und verarbeiten. Setzt Euch mit Ernst Moritz Arndt auseinander, widersprecht seiner damaligen Diktion, erarbeitet, wie Ihr damals (ohne den Hintergrund heutiger Erkenntnisse) anders argumentiert hättet. Und nehmt den Namenspatron Eurer Universität zum Anlass, über Erkenntnisse aus der Geschichte und ihre heutige Umsetzung nachzudenken. Dann weitet sich auch die Sichtweise und Ihr seid in der Lage, auch (und nicht nur) Karl Marx in Eure kritischen Betrachtungen einzubeziehen. Und dann lasst uns besser darüber diskutieren, ob Letztgenanntem angesichts seiner antisemitischen Ausfälle unbedingt zwei repräsentative Straßen in der Hauptstadt und ungezählte Wohnadressen in der ganzen Republik gewidmet sein müssen. Karl Marx hat seinen Platz in der Geschichte, Ernst Moritz Arndt ebenfalls. Trotz berechtigter Kritik haben sie mehr verdient, als aktuelle Rechthaberei.

Siegerlaune reicht nicht

Der Kater folgt der Feier auf den Pfoten. Was waren wir glücklich, haben gejubelt, vor Freude geweint, uns im nie endenden Freudentaumel gewähnt und dachten, das geht nie vorbei. Und wir haben nicht gemerkt, es vielleicht auch gar nicht wissen wollen, wie sich die Kostgänger der einstigen Unterdrücker unter uns gemischt, sich mit dem Freudenvolk vermischt haben. So verschwanden sie in der Taumel-Masse, wurden nahezu unkenntlich. Nur ab und an rief einer: „Der da!“ oder „Die da“! Dann musste ER oder DIE gelegentlich Konsequenzen ziehen und sich aus der Öffentlichkeit, dem oft durch Vergangenheits-Verschweigung erschlichenen
Amt zurückziehen – bis zum nächsten Anlauf. Heute wagen DIE und DER längst den Hochmut vergangener Tage und schmähen die einstigen Objekte ihrer hinterlistigen Belauschung der „Verweigerung von Versöhnung in diesem ´unserem´ Land“. Geht es eigentlich noch perfider? Müssen wir Deutschen der Welt ohne Punkt und Komma, ohne die Nachdenkpause des Innehaltens immer wider zeigen, wie es n i c h t funktionieren darf?
Erst allmählich dämmerte es den Underdogs der vormaligen Diktatur, den Verfolgten und Oppositionellen, dass der Jubel über die Befreiung von Unterdrückung und Gängelung durch eine kleine Polit-Mafia häufig von den Satrapen des umfangreichen Unterdrückungsapparates unterjubelt wurde. Während sich die Widerständler von einst noch verwundert die Augen rieben, besetzten die alten Kader die unteren Streben des neuen Staates, ohne die ein Gemeinschaftswesen, noch weniger deren Führung auskommen können.

Und als der eine oder andere Träumer von einer besseren und freieren Zukunft aufwachte und gewahrte, dass genau die Partei, die man für endgültig tot hielt, unter wiederholter öffentlicher Namenshäutung zu neuer Blüte gelangte, war die Zeit möglicher Veränderungen vorbei. Der Alltag hatte die Träume überholt.
Statt nun neue Gedanken zu entwickeln, sich der Tristesse entgegen zu stellen, um der Zukunft vertane Chancen zu erhalten oder neu zu schaffen, passten sich die einstigen Streiter wider den Ungeist schneller als vielfach befürchtet der neuen Ordnung an, die s o eigentlich nicht die ihre war. Wichtiger als Grundsätze wurden nun gesellschaftskonform die kargen, ohnehin nicht üppigen Plätze in den Funktionärs-Etagen diverser Vereine. Schließlich war man mit Bescheidenheit vertraut. Und man erinnerte sich an die vereinfachten Formen stilisierter Demokratie, verzichtete hier und da auf mühselige Debatten und umständliche, weil aufwändige Abstimmungsformen. War man sich nicht ohnehin einig? Wozu brauchte es da noch Auseinandersetzungen nach innen? Wichtig wurde die Show nach außen, um der eigenen Klientel die Unvergänglichkeit inhaltslos gewordener Sprüche permanent nachzuweisen.

Was wir daraus lernen könnten? Der Kater folgt der Feier auf den Pfoten. Siegerlaune allein reicht nicht. Freiheit ist komplizierter, als wir uns dies in einer kleinen Zelle erträumt haben. Freiheit muss jeden Tag verteidigt, jeden Tag neu erobert werden. Wo wir die falschen Kompromisse schließen, haben wir diesen Kampf bereits verloren, haben wir unseren einstigen gemeinsamen Traum im amtlich vertonten Jubel verloren.

Siehe auch http://www.17juni1953.de >>>Presse: „VOS: Beschwerde gegen „kontrollierte Wahl“ zum Vorstand“ vom 6.01.2010

Furz-Erfassung

Na prima. Da feierten wir eben noch die Öffnung der Mauer vor zwanzig Jahren, die eingeleitete Agonie des DDR-Systems, der zweiten Diktatur auf deutschem Boden im zwanzigsten Jahrhundert. Und in die große Freudenfeier wurde die große Erleichterung über den Untergang des Orwellschen „1984-Systems“, des Ministeriums für Staatssicherheit, gleich mitgefeiert. Zu Recht!
Und nun? Nahezu klammheimlich, weil vom Bürger ziemlich unbemerkt, wird zum Jahresbeginn ein Datenerfassungs-System aufgebaut, das seinesgleichen in der sechzigjährigen Geschichte der Nachkriegs-Demokratie in Deutschland sucht. Nachdem der Bundesrat am 6.März 2009 das von der rot-grünen Koalition unter dem SPD-Kanzler Gerhard Schröder auf den Weg gebrachte Gesetzesvorhaben abgenickt hatte, soll dieses umfassendste Datenerfassungssystem dieser Republik in diesem Jahr umgesetzt, d.h. aufgebaut werden.
Da werden die vielen großen und kleinen Helferlein aus dem seinerzeitigen MfS sicherlich gerne und diskret zur Hand gehen. Hat man doch im Rahmen demokratischer Fürsorge so einige dieser erfahrenen Überwachungs-Funktionäre in die Ministerial-Bürokratie integriert.

Jetzt sollen also nicht nur relevante Einkommensdaten, sondern selbstverständlich auch Krankenzeiten, Kündigungsfristen und -gründe, Abmahnungen und die Teilnahme an legalen und illegalen Streiks erfasst werden. Potztausend! Haben wir uns nicht noch eben erregt über die breite Repräsentanz von Stasi-Zuträgern in der Brandenburg-Fraktion der LINKEn in Potsdam? Warum eigentlich? Waren die nicht nur Vorläufer (oder Vorarbeiter) eines Systems, das nun unter dem schönen verniedlichten Namen „Elena“ ganz legal staatlicherseits eingeführt werden soll?
Mal ganz im Ernst: Wann werden denn auch die Furze erfasst, die ein Bürger genau zu dem Zeitpunkt hat fahren lassen, als ein Bundespräsident oder eine Kanzlerin eine wichtige Rede an die Nation hielten (Weihnachten oder Neujahr, zum Beispiel)? Derartige herabwürdigende und staatsgefährliche Ablassungen müssen endlich auch erfasst werden, damit es nicht – rein vorsorglich, versteht sich – zu einer staatsgefährdenden Verstinkung der reinen Luft-Zufuhr für den Bürger kommen kann (dabei ist der Zeitpunkt des Dampf-Ablassens zwar auch nicht gerade staatsfördernd, aber selbstverständlich im Rahmen der Demokratie an sich -noch- zulässig).

Sind wir endlich einmal ehrlich: Wenn all das Gerede um Bürgermut und Bürgerrechtlertum von und um 1989 Bestand haben, also glaubwürdig bleiben soll, dann müsste es jetzt in diesem Land einen berechtigten Aufstand gegen „Elena“ geben. Oder sind Bürgerrechte nur gefragt, wenn sie sich gegen ein anderes als das eigene Fehlverhalten richten?

Entschuldigung, ich musste gerade ziemlich laut f…..