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Archive for September 2010

Begegnung in Berlin: „Allah ist groß!“

Da denkt man nichts Böses (auch nicht an Sarrazin), und schon ist man mitten drin im Leben.
Mit meiner Gefährtin ging ich durch die Pestalozzistraße, als wir einen in Mullah-Gewändern eingehüllten Mitbürger sahen, der vor einem Grundstück stand und offenbar verzweifelt über den Zaun hinweg im Gestrüpp stocherte. Wir blieben stehen, um einfach zu sehen, was denn den Mann antrieb. Überraschend wurden wir beschimpft: „Warum stehen Sie hier? Gehen Sie weiter!“

„Wir wohnen hier und wollten sehen, ob wir Ihnen helfen können?“
„Gehört Ihnen das Grundstück? Sie sind nur Mieter. Gehen Sie weiter!“

So leicht ließen wir uns nicht abschütteln.
„Was suchen Sie denn?“
„Da liegt mein Stock drin, den will ich wiederhaben.“

Tatsächlich. Unter dem Gestrüpp lag ein Knauf-Stock, der sich trotz rudernder Bemühungen mit einem besorgten Besenstiel nicht von der Stelle rührte. Meine Gefährtin ging ein paar Meter weiter, betrat das Grundstück durch ein Gartentor, und im Nu hatte sie den Stock ergriffen und reichte ihn dem Muselmanen über den Zaun.

„Warum helfen Sie mir als Ungläubiger?“ fragte er mich, während meine Gefährtin den Garten verließ. „Und dabei habe ich Sie sogar beschimpft, Entschuldigung!“
„Wir helfen gerne. Aber wieso bezeichnen Sie mich als Ungläubigen? Auch ich glaube an einen Gott!“

„Es gibt keinen Gott. Das ist der falsche Name. Es gibt nur Allah. Nur die Ungläubigen bezeichnen Allah als Gott.“

„Wenn Sie Ihren Sohn „Ibrahim“ nennen und ich meinen Sohn „Wolfgang“, so hindert das uns nicht daran, unsere Söhne gleichwohl zu lieben.
Ob wir den Einen Gott als solchen bezeichnen oder ihn als „Allah“ anrufen, spielt das eine Rolle? Verehren nicht Juden, Muslime und Christen ein und denselben Gott?“

„Nein, das ist nicht so. Allah ist der Einzige. Wer nicht an Allah glaubt und seine Macht anerkennt, ist ungläubig. Glaubt Ihr an Allah?“

„Wir glauben an Gott!“
„Dann seid ihr ungläubig!“

Meine Gefährtin will die aufkeimende Spannung abbauen, fragt, wie denn der Stock in den Garten gelangt sei. Etwas zerknirscht räumt er ein, er habe am Vorabend „etwas zu viel getrunken“ und den Stock über den Zaun geworfen. Etwas seltsam, denn wenig später schimpft er auf seinen Vater, der oft betrunken gewesen sei.
Wir hatten ihn zuvor gefragt, warum er denn hier lebe, wenn er unglücklich sei, unter so vielen Ungläubigen zu leben?

Sein Vater sei dem Ruf der Kapitalisten gefolgt und sei darum sündig geworden. Er werde dieses Land in Kürze verlassen, weil er dieses Land hasse, und nach Syrien gehen.
„Waren Sie schon in Syrien?“

„Nein,“ sagen wir, „wir haben nicht das Geld dafür.“ Fast verächtlich zuckt er mit den Schultern: „Das ist doch kein Hindernis!“

Wir beenden die fruchtlos werdende Diskussion und verabschieden uns freundlich. Im Gegensatz zu uns scheint der „Mullah“ nicht ratlos. Mit großzügiger Geste hebt er die Hand zum Gruß. Funkelten seine Augen siegessicher?

In diesen Minuten in einer Straße in Charlottenburg rückt uns der Bürgermeister von Neukölln wieder ein Stück näher, verstehen wir die Aussagen von Thilo Sarrazin etwas besser. Aber wir sind ja mit dem Buch noch nicht ganz fertig…

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Willkommen im Widerstand – Auch die VOS protestiert

Endlich einmal eine gute Nachricht: Die VOS hat sich dem Protest der Vereinigung 17. Juni gegen die beabsichtigte Schredderung der Ausstellung am Alexanderplatz (siehe Beitrag vom 17.o9.2010) angeschlossen. Zwar wird auf die Vereinigung kein Bezug genommen (wohl nach dem Motto: Getrennt marschieren – getrennt schlagen), aber die Verantwortlichen sehen das gelassen. Wichtig ist der massive Protest gegen ein unsinniges, Geld-vernichtendes Vorhaben (Die Ausstellung soll immerhin über eine Million Euro gekostet haben).
Warum die VOS allerdings ihren Protest erst am 28. September unter dem getürkten Datum „20.09.“ in ihre Seite einstellte, wissen nur die Verantwortlichen selber.
Mauerdemonstrant hofft weiterhin, dass sich die Verbände wieder zu einem gemeinsamen Vorgehen durchringen und die gemeinsamen Anliegen über die Personen-zerfetzenden Auseinandersetzungen stellen.
Und wenn sich auch noch die UOKG als Dachverband an dem berechtigten Protest gegen den unmoralischen Vernichtungs-Auftrag dieser wichtigen Ausstellung beteiligt, wäre das ein wichtiger Auftakt zu wieder mehr Gemeinsamkeit der Verfolgten-Verbände.

Aufruf: Blockiert den Abriss der Alex-Ausstellung

17. September 2010 1 Kommentar

Nach einem Bericht im TAGESSPIEGEL soll die Wende-Ausstellung am Alexanderplatz nach dem 3. Oktober (Tag der Einheit) „geschreddert“ werden.

Die Forderungen von damals bleiben aktuell - Muss die Ausstellung auch deswegen in den Schredder?

Meine Meinung:

Waren das noch Zeiten, als ein Boulevard-Blatt gegen den Abriss der Turmruine der einstigen Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche mobil machte. Das Blatt stellte sich als Medium für eine einzigartige Unterschriftensammlung zur Verfügung – mit Erfolg.
Der Architekt musste seine Pläne überarbeiten, der „Hohle Zahn“ wurde zwischen „Lippenstift“ und „Puderdose“ in die neue KWGK einbezogen und gehört heute zu den international berühmten Wahrzeichen Berlins.
Warum stellt sich nicht DER TAGESSPIEGEL in den Dienst einer guten Sache? Und fordert seine Leser und die Berliner zu Protest-Unterschriften auf? Die Ausstellung am Alexanderplatz ist nicht nur eine der erfolgreichsten Events dieser Stadt, sie ist ein beispielloses Geschichtsdokument, welches eindrucksvoll an d a s Ereignis im ausgehenden 20. Jahrhundert erinnert.

Der offensichtlich geschichtslose Stadtrat im Bezirk Mitte sollte endlich einmal auch von seiner Partei zur Ordnung gerufen werden. In schlechter Erinnerung sind seine selbstherrliche Verweigerung eines „Platz des 17. Juni“ vor dem Bundesfinanzministerium mit fadenscheiniger Begründung. Diese Stadt braucht wieder Menschen an den Schalthebeln der Verantwortung, die sich der Geschichte verpflichtet fühlen und nicht ihre Position missbrauchen, um die eigenen offenbar sehr beschränkten Geschichtsbetrachtungen durchzusetzen. Das hatten wir schon 40 Jahre lang ertragen müssen, diese Zeiten sollten endgültig vorbei sein.

Am Alex wurde Geschichte geschrieben - Das beeindruckt Stadtrat Gothe nicht

Berliner, ob einst aus dem Osten, ob einst aus dem Westen: Wehrt Euch gegen diese Verschredderung der eigenen Geschichte, leistet Widerstand, blockiert den Abbau dieser wichtigsten Dokumentation der letzten 20 Jahre. Notfalls gibt es am Checkpoint Charlie genug Platz, um diese Ausstellung bis zu einer endgültigen Regelung zu retten. Nämlich an der Stelle, wo einst Hunderte Kreuze an die Toten der Mauer und der Teilung erinnerten.

Tatajana Sterneberg von der Vereinigung 17. Juni: "Dieses Zeugnis unserer jüngsten Vergangenheit muss erhalten bleiben!"

Fotos: (c) 2010 LyrAg

Sarrazinaden und Sirenenklänge

10. September 2010 3 Kommentare

Nun hat es die Political-Correctness-Connection geschafft. Sarrazin wirf das (berufliche) Handtuch. Willkommen im Club der Jenningers, Hohmanns & Co. Das ist ja nicht neu in unserer neuen DDR. Wer ausspricht, was die Mehrheit denkt und die (führende) Minderheit nicht lenkt, ist neudeutsch out.

Klar: Früher stand die Gestapo, später die Stasi vor der Tür. Das ist heute (noch) erträglicher:   Der unliebsame Leserbriefschreiber wird mit einem Salär aus dem Beruf gekippt; der freche hungerstreikende Herausforderer eines Ministers wird mit einer Abfindung versehen und um seine Karriere gebracht; ein Bundestagspräsident wird an den Pranger gestellt und verbal zur Demission geleitet (weil er eine Rede falsch betont hat, also wohl doch kein Schauspieler war); einem Bundestagsabgeordneten wird die Rede im Munde verdreht – sein politisches Aus.

Andere sind sensibler, packen noch zu einer Zeit ihre (politischen) Kleider in den Koffer und wechseln (in die Wirtschaft), ehe sie gewechselt werden. (Hat da einer „Merz“ oder „Koch“ geflüstert?)

Während also die Sarrazinaden schrill durch die Lande tönen, erklingen die Sirenenklänge unter Anführung der Kanzlerin medial durch die Republik: Die Bundesbank solle ihrer Verantwortung gerecht werden (und Sarrazin feuern?) und: Vertrauen in die Unabhängigkeit der Bundesbank ist ein Credo unseres Staates genauso, wie die Meinungs- und Gedankenfreiheit.

Der heftig umstrittene Buch-Autor hat sich das zu Herzen genommen. Für seine Gedanken- und Meinungsfreiheit hängt er lieber seinen lukrativen Bank-Job an den Nagel. Was die verbleibenden Bezüge oder Einmal-Zahlungen nicht richten, das spülen die Buch-Honorare in die Familienkasse.

Und so lange das so ist und (noch) keine Ledermäntel Herrn Sarrazin „zur Klärung eines Sachverhaltes“ die Aufwartung machen, so lange dürfen wir uns einhämmern, das alles nicht so schlimm  ist, wie es aussieht. Hoffentlich bleibt das noch möglichst lange so. Denn die (aussterbenden) Alten wissen noch, wie schnell man in einer Diktatur aufwacht, weil man versäumt hat, rechtzeitig die Stimme zu erheben oder sich gar gegen die Boten der Unfreiheit zur Wehr zu setzen.

Ach ja: Die Jugendrichterin dürfte, wenn sie es denn irgendwoher verfolgen kann, eigentlich froh sein, wenn ihre Buchhonorare den Erben zufließen und sie sich den Ritt durch die Mobbing-Meinung erspart hat. Sarrazin hat gezeigt, wohin es führen kann, wenn man nicht einer momentanen Verzweiflung nachgibt… Man wird dem Boulevard zum Fraß vorgeworfen.

Siehe auch:                                                                                                                                            http://www.medienfabrik-b.de/beta01/texte/sites/gesellschaf/gesellschaft05.html#sarrazin01

Hungerstreik gegen Israel

3. September 2010 1 Kommentar

Eben komme ich von Firas Maraghy, der in der August-Viktoria-Straße schräg gegenüber der Israelischen Botschaft seit 39 (!) Tagen einen Hungerstreik durchführt.
Ich mache mir Sorgen. Firas sieht man jeden Tag mehr die Strapaze seines berechtigten Protestes an. Hohlwangiger sieht er aus. Die hagere Gestalt wirkt noch hagerer angesichts seiner Größe von über 1,80 Metern. Aber seine Augen blitzen immer noch voll Überzeugung und Gewißheit, sein Ziel zu erreichen. Und seine acht Monate alte Tochter gluckst laut, als wolle sie dem Vater schon jetzt Dank sagen für sein Engagement, das auch ihrer Zukunft gelten soll. Die Ehefrau und Mutter Wiebke lächelt ihrem Mann zu. Und ich bin mir nicht mehr sicher, ob dieses Lächeln noch so frei von Sorgen um das Leben ihres Mannes ist. Auch wenn die ebenso tapfere Deutsche alles vermeidet, was ihrem palästinensischen Mann den Mut nehmen könnte.

Aber wir, Unterstützer und Freunde, sprechen am Rande nun doch über die Möglichkeiten, die sich „danach“ ergeben könnten, müssten. Meiner Idee, den von der Botschaft vermutlich erleichternd zur Kenntnis genommenen Zusammenbruch von Firas Maraghy mit einer unmittelbaren Fortsetzung des Hungerstreiks durch eine weitere Person zu begegnen, wird mit großer Zustimmung bedacht. Und ich stelle mir die Frage , ob ich nicht vielleicht …? Schließlich habe ich doch schon einige Hungerstreiks durchgeführt.
Bei aller Sympathie für das berechtigte Anliegen von Firas, ein dauerndes Heimatrecht in seiner Geburtsstadt Jerusalem zu erhalten: Als Deutscher verbietet sich mir ein Hungerstreik gegen Israel, aus welchen Gründen auch immer. Ich stehe nicht in der Schuld, aber in der historischen Verantwortung gegenüber dem jüdischen Volk. Das „Warum“ brauche ich nicht zu erklären.
Aber mit ganzem Herzen, mit Wort und Schrift werde ich weiter dafür eintreten, dass Firas Maraghy seine zustehenden Rechte erhält. Das Israel begreifen möge, dass menschliche Entscheidungen keine Schwäche, sondern eine große Stärke sein können. Israel ist souverän, es sollte souverän handeln. Dieser Staat hat es nicht nötig, sich an den Diktaturen dieser Welt zu orientieren, seine tatsächliche Macht in allen Nuancen  auszuspielen. Dieser Staat kämpft seit Jahrzehnten gegen den erklärten Willen seiner wirkliche  Feinde, ihn zu vernichten. Das sollte Israel nicht daran hindern, auf dem Boden seiner historischen traumatischen Erfahrungen für die Rechte von Menschen einzutreten, auch für die eines Firas Maraghy, dessen Familie seit über 150 Jahren auch  in Jerusalem wohnt.

http://www.tvb.de/newsmeldung/datum/2010/09/02/hungerstreik-vor-israels-botschaft.html

http://www.tagesspiegel.de/autoren/Richard+Szklorz

http://www.jungewelt.de/2010/08-26/005.php

http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,711297,00.html

http://www.fr-online.de/panorama/nahostkonflikt-im-villenviertel/-/1472782/4554498/-/inde

http://www.taz.de/1/berlin/artikel/1/wie-der-nahostkonflikt-in-den-grunewald-kam/

http://www.neues-deutschland.de/artikel/176860.palaestinenser-im-hungerstreik.html

http://www.freitag.de/alltag/1033-hunger-nach-heimat

http://www.pressrelations.de/new/standard/dereferrer.cfm?r=421949

http://www.hagalil.com/archiv/2010/08/16/jerusalem-17/

http://www.welt.de/vermischtes/article9296634/Palaestinenser-hungert-fuer-Einreise-nach-Israel.html

http://www.sarsura-syrien.de/hungerstreik-fuer-familienzusammenfuehrung-4319.html

http://gruenhelme.de/1043.php

http://www.moz.de/nachrichten/berlin/artikel-ansicht/dg/0/1/251601/

http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=15491