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„Ich bin ein Berliner“ – Der Tod von Dallas vor 47 Jahren
Die Erinnerung schwärt wie eine ständig offene Wunde: Heute vor 47 Jahren, am 22. November 1963, starb John F. Kennedy infolge des Attentates in Dallas/ Texas.
An jenem Abend befand ich mich auf einer Veranstaltung des CDU-Ortsverbandes Lietzensee in Berlin. Bundesminister Baptist Gradl hielt einen Vortrag. Kurz nach 20:00 Uhr kam der Ober in den Raum und begann mit einem Gast am Ende des Tisches zu flüstern. Das dauerte etwas länger und Gradl wurde unruhig, fühlte sich gestört. Schließlich unterbrach er seinen Vortrag und fragte ungehalten nach dem Grund der Störung. Stockend berichtete der Ober, eben sei durch das Radio die Meldung von einem Attentat auf den US-Präsidenten gekommen.
Ungläubige Unruhe entstand. Gradl verlangte eine möglichst genaue Wiedergabe der im Radio verbreiteten Meldung. Stockend, irritierend die Antwort: „Besuch in Dallas, Texas.
Schüsse auf das Fahrzeug des Präsidenten. Kennedy schwer verwundet. Notoperation im Krankenhaus. Ringen um das Leben. Nähere Einzelheiten nicht bekannt.“
Nun redeten alle durcheinander: „Das kann ja nicht stimmen!“ „Das ist nicht wahr!“ „Was die immer alles im Radio verbreiten!“ Schließlich wurde die Versammlung unterbrochen
(und nicht mehr fortgesetzt).
Ich lief zur nächsten Telefonzelle, wählte die mir bekannte Telefon-Nummer vom Springer-Verlag. Mir schwante Schlimmes, als ich nicht durchkam. Endlich, nach vielen Bemühungen:
„Hier Springer-Verlag. Ja, auf Kennedy ist ein Attentat verübt worden.“ Der Hörer wurde aufgeknallt.
Aufgewühlt stolperte ich ins Veranstaltungs-Lokal zurück. Der Minister war bereits fort,wenige Teilnehmer diskutierten in Gruppen die wenigen verfügbaren Nachrichten.
Mehr betäubt als zielstrebig fuhr ich mit der U-Bahn in die Innenstadt, wollte Reaktionen einfangen. Am U-Bhf. „Deutsche Oper“ stiegen edel gekleidete Personen in den Zug. Empörung über den Abbruch der Vorstellung bis zu erschütterten Reaktionen. Einige Fahrgäste weinten.
Am Bahnhof Zoo pulste das Leben wie immer. Aus dem „Hofbräuhaus“ an der Gedächtniskirche dröhnte das Tä-Tä-Rä der üblichen Bierzelt-Musik. Frage an eine Kellnerin: „Haben Sie von dem Attentat in Dallas gehört?“
„Ja und?“
„Wird da nicht wenigstens diese Musik eingestellt? Die Deutsche Oper hat auch ihre Vorstellung abgebrochen.“
„Warum denn das? Nur weil da irgendwo ein Attentat verübt worden ist?“
Mit fällt dazu nichts mehr ein, ich bin nur fassungslos. Auf den Straßen spiegelt sich noch keine Reaktion. „Aber vielleicht bin ich doch zu streng?“ dachte ich. Es braucht schließlich seine Zeit, bis so eine Nachricht in die Köpfe dringt. Kurz nach 22:00 Uhr rufe ich meine Eltern an. Mein Vater ist entsetzt, will gleich das Radio einschalten. Meine Mutter reiße ich aus dem Schlaf. Sie will das einfach nicht glauben, schaltet schließlich noch während wir telefonieren das Radio ein. Jetzt überbringt sie die schlimme Nachricht: Kennedy ist tot, seinen Verletzungen erlegen.
Ich weine, schluchze laut. Passanten drehen sich um. Mir ist das so egal …
Hinter dem Wittenbergplatz eine erste Gruppe junger Menschen, die sich sammeln, zum Schöneberger Rathaus wollen. Plötzlich sind Fackeln da. Wir ziehen stumm zum Rudolf-Wilde-Platz. Dort taucht ein erstes Papp-Schild auf: „John-F.-Kennedy-Platz“.
Stumm stehen wir in der dunklen Nacht vor dem weltberühmten Rathaus, von dessen Balkon Kennedy noch vor wenigen Monaten gerufen hatte: „Ich bin ein Berliner!“ Bereits in der Nacht vor seiner Rede war ich vor das Rathaus gezogen, um mir einen guten Platz zu sichern. Und so konnte ich unser damaliges Idol aus unmittelbarer Nähe erleben.
Jetzt, 47 Jahre später, kommen wieder Tränen. Sie fallen auf die Tastatur meines PC, während ich mich an jene dunklen Stunden erinnere. Ein Drama, das seinerzeit die Welt bewegte. Es ist mir, als wäre es erst gestern geschehen…
Unservater und Guido
Sicherlich Zufall, dennoch denkwürdig: In der „Süddeutschen Zeitung“ vom 15.11.2010 stehen zwei Meldungen gleichsam gespiegelt auf den Seiten 11 und 12:
1. Bundestagspräsident Lammert übersetzt das Vaterunser neu:
„Unser Vater im Himmel! / Groß ist dein Name und heilig. / Dein Reich kommt, Wenn dein Wille geschieht, / Auch auf Erden. / Gib uns das, was wir brauchen. / Vergib uns, wenn wir Böses tun und Gutes unterlassen. / So wie wir auch denen verzeihen wollen, / Die an uns schuldig geworden sind. / Und mach uns frei, wenn es Zeit ist, / Von den Übeln dieser Welt.“
2. Unter „Tiere“ (auf der Rückseite):
„Guido, 14, Geier, muss sich von seinem Lebensabschnittspartner Detlef, 14, ebenfalls Geier, trennen. Die beiden schwulen Gänsegeier hatten im Allwetterzoo Münster monatelang geturtelt und liebevoll an einem Nest gebastelt. Eine gemeinsame Zukunft hat das Homo-Paar nun nicht mehr, denn der Zoo möchte Nachwuchs – und hat Detlef mit einem aus Tschechien importierten Weibchen verkuppelt.“
Zwei Seiten einer Medaille? Nein, zwei Seiten, zwei Medaillen. Warum? Geben nicht beide (zugegeben sehr unterschiedlichen) Meldungen reformerische Befindlichkeiten wieder? Nur auf den ersten Blick, meine ich.
Lammerts neue Version des Vaterunser ist eine berührende, aus tiefstem Herzen empfundene Transformation des alten biblischen Textes in eine neuzeitliche Sprache, ohne den Inhalt zu verändern. Er reformiert, ohne die überlieferte Aussage des wichtigsten christlichen Gebetes anzutasten oder gar infrage zu stellen.
Die (humoristische) Schilderung des Geierpaares Guido und Detlef widerlegt exemplarisch (wenn auch sicher unbeabsichtigt) die Gender-Lehre, nach der die Unterschiede der Geschlechter eingeebnet und möglichst aus dem Sprachgebrauch getilgt werden sollten. Reformationen lassen sich nur in der Achtung und dem Respekt vor unverrückbaren Gesetzmäßigkeiten verwirklichen. Die Akzeptanz von Homosexualität hat nichts mit der Vernebelung oder Verwischung vorgegebener und unverrückbarer Gegebenheiten zu tun, wie dies die Gender-Missionare mit reformatorischem Anspruch tun.
Eben doch zwei Meldungen, zwei Medaillen und doch – oder gerade deswegen? – nachdenkenswert.