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Kiez-Spaziergang: Auch CDU-Fraktionschefin war dabei
Berlin, 14.05.2018 – Zu unserem Bericht über den Kiezspaziergang „Mieterwut: Kiezspaziergang mit Bundestagsabgeordneten“ erreichte uns von dem Veranstalter „Mieter-Werk-Stadt“ nachstehende Ergänzung:
Aus der BVV ist auch die CDU-Fraktionschefin, Susanne Klose, mit-spaziert.
Die im Bericht angeführten Stadträte Oliver Schruoffeneger und Arne Herz hatten ihre Teilnahme „mit Bedauern“ abgesagt. Stadtrat Schruoffeneger hatte zeitgleich eine BVV-Ausschuss-Sitzung (Verkehr und Tiefbau); Arne Herz hatte für den nächsten Spaziergang um einen früheren Kontakt gebeten, damit er seine Teilnahme beim nächsten Kiez-Spaziergag möglich machen kann.
Antrag auf Milieuschutz
Die BVV hat den Antrag auf Vorbereitung des Milieuschutzes für das Gebiet zwischen Schloßpark und Rönnestraße am 22.6.2017 behandelt und an den Stadtentwicklungsausschuss überwiesen. Der Ausschuss hat den Antrag am 19.7.2017 befürwortet. In der Sitzung vom 21.9.2017 hat die BVV dann den Antrag ohne Änderungen übernommen und beschlossen. Einen Satzungsbeschluss (genauer: die Erhaltungsverordnung für dieses Gebiet) konnte sie noch nicht beschließen, weil das Bezirksamt erst die – nach unseren Recherchen letzten Monat beauftragten – städtebaulichen Untersuchungen abwarten und auswerten muss, um dann auf deren Basis der BVV einen Satzungsentwurf zur Beschlussfassung vorzulegen. Entscheidungsreife hierzu wird erst nach der Sommerpause 2018 eintreten.
Wolfgang Mahnke, Mieter-Werk-Stadt
Reformer braucht das Land
Gedanken zur Wahl in Meck-Pomm
Berlin/Schwerin, 04.09.2011 – Im Grunde nichts Neues: Die Ministerpräsidentenpartei legt zu, die SPD-Nachahmer-Partei UNION verzeichnet Verluste, DIE LINKE konnte sich von den Stalinisten in den eigenen Reihen absetzen und ihr Ergebnis behaupten. Die GRÜNEN bekommen endlich die Belohnung für die brave Anpassung an den Chor der etablierten Parteien und haben die letzte Landesbastion erobert, die FDP schlingert allmählich in die Bedeutungslosigkeit und die rechte NPD, alles andere als liberal, leckt ihre durch die einheitliche Ablehnung der anderen Parteien zugefügten Wunden und freut sich über die Verteidigung ihrer Landtags-Präsenz.
Die Kommentare der Parteien sind austauschbar, könnten ohne viel Aufwand auch in vierzehn Tagen in Berlin verwandt werden, das erspart Personal und liesse sich vielfach über Konserven einspielen. Also alles wie gehabt?
Langweilige Politiker-Runden durch Talks der Wähler ersetzen
Mauerdemonstrant meint, dieses Land braucht dringend Reformen. Die Medien könnten damit beginnen und – vielleicht schon in Berlin – statt der langweiligen Partei- und Funktionärsrunden Talk-Runden mit Wählern senden. Denn die Wähler ermöglichen den Parteien erst ihre Pfründe, Positionen und letztlich ihr Dasein. Und die Wähler sind es wieder einmal, die Warnsignale an die Politik senden: Nur 52%, also gerade einmal die Hälfte der Wahlberechtigten, beteiligte sich am Urnengang in einem Land, für das „Wahl“ noch vor 22 Jahren ein Fremdwort war. Die Verdrossenheit der Bürger nimmt also zu. Und da es derzeit kein anderes Mittel gibt, den Protest auszudrücken, flüchten immer mehr Menschen in die Wahlenthaltung. Die Politik, damit sind natürlich die Parteien gemeint, ignoriert bislang diesen Protest und sie wird es weiter tun. Warum?
Weil die Parteien reformresistent geworden sind. Wahlenthaltungen schmälern die gewohnte Sitz- und Postenverteilung nicht, verschaffen im Gegenteil zumindest kleineren Parteien überproportionale prozentuale Anteile – siehe (diesmal) NPD. Ließe sich das ändern?
Sitzverteilung im Parlament an Wahlbeteiligung orientieren
Mauerdemonstrant meint JA. Er sehnt sich nach einer Partei, die nicht nur Reformen verspricht, sondern diese auch ernsthaft da durchsetzt, wo diese greifen. Um ein Beispiel zu nennen: Grundsätzlich sollten nur soviel Sitze in einem Parlament vergeben oder zugeteilt werden, wie dies dem tatsächlichen Wahlverhalten entspricht. Wenn sich also nur 52% der Wähler an einer Wahl beteiligen, dürfen auch nur 52% der vorgesehenen Sitze an die Parteien vergeben werden. Das würde dem Steuerzahler einmal viel Geld ersparen und die Parteien zum anderen zwingen, sich andere Wege und neue Programme einfallen zu lassen, um die Wähler wieder nachhaltig vom in einer Demokratie notwendigen Urnengang zu überzeugen.
Aber Gemach: Am Beispiel der GRÜNEN wie auch der LINKEn (oder anderer) lässt sich klar die Einbindung in das etablierte Parteiensystem verfolgen. Als Reform-Parteien angetreten (dieser Nimbus wird ja auf den Wahlplakaten fleißig gepflegt), haben sie sich längst in die Vorteile sogenannter staatstragender Parteien eingelullt. Um nicht diese endlich errungenen Privilegien, wie staatlich finanzierte Parteistiftungen und und und aufs Spiel zu setzen, singt man im Chor der Etablierten mit.
An die Töpfe wollen sie alle
Vielleicht haben die PIRATEN ja noch etwas im Köcher und kratzen an der Selbstherrlichkeit dieser Parteien, indem sie nicht nur Reformen fordern, sondern diesen treu bleiben, um sie eines Tages durchzusetzen. Aber das sind Träume eines überzeugten Demokraten, der mehr als einmal erleben mußte, wie neu gegründete Parteien alles Mögliche auf ihr Panier schrieben, nur nicht die Einschränkung möglicher Privilegien. Denn an die Töpfe wollen sie alle. Und das ungeschmälert von romantischen Reformvorstellungen.
Anzeige gegen Unbekannt: Fahrlässige Herbeiführung einer Explosion durch Kernenergie
Berlin, 10.06.2011/cw – Gegen Unbekannt ist am gestrigen Abend bei der Berliner Staatsanwaltschaft Anzeige wegen des Verdachtes einer „fahrlässigen Herbeiführung einer Explosion durch Kernenergie“ erstattet worden. Ausgangspunkt für die Anzeige war ein Bericht des rbb-Magazins KONTRASTE vom gestrigen Abend (21:45 Uhr / ARD), in dem über gravierende Sicherheitsmängel im Forschungsreaktor des Berliner Helmholtz-Zentrums berichtet wurde.
Danach sei „ein sicherheitsrelevanter Riss festgestellt worden, der die Gefahr einer Auslösung radioaktiver Prozesse mit nicht kalkulierbaren Folgen für das Umland und große Teile der Stadt Berlin darstellt“, heißt es in der am gestrigen späten Abend eingereichten Anzeige an die Staatsanwaltschaft Berlin, die sich u.a. auf § 310b, Abs. 4 (2) StGB stützt.
In der Anzeige wird ausgeführt, dass „in dem angeführten Bericht des rbb-Magazins KONTRASTE glaubhaft eine Gefährdung durch einen nachgewiesenen Riss in der Schweißnaht im Notbecken des FRW angeführt (wurde). Das habe, so KONTRASTE, der Betreiber inzwischen auch zugegeben, wenn dieser auch betont, dass die undichte Stelle irrelevant sei. Herr Dr. Thilo Scholz, ehemals leitender Mitarbeiter des Betreibers, urteilt über den aktuellen Zustand des FRW in der Sendung:
„Der Reaktor in Wannsee ist so wie er steht nicht betriebsfähig, sicherheitstechnisch bedenklich. Es ist eine große kerntechnische Anlage von 10 MW Leistung, die zwar nicht der Stromerzeugung dient aber als Forschungsreaktor doch im erheblichen Maße radioaktives Material enthält.“
Der Betreiber war nicht bereit, gegenüber dem Fernseh-Magazin die behauptete Irrelevanz zu begründen oder Bilder über die bestätigten vorhandenen Risse vorzulegen“, heißt es in der gestrigen Anzeige.
„Damit darf vermutet werden, dass die Beteiligten – Betreiber, Aufsicht und Finanzier – nicht gewillt sind, auf eine bereits vorhandene Gefährdung angemessen zu reagieren und notwendige Maßnahmen zur Abwendung der Gefahr zu ergreifen. Die Beteiligten nehmen damit (auch) die mögliche Herbeiführung einer Explosion durch Kernenergie fahrlässig inkauf, indem sie offensichtlich notwendige Maßnahmen zur Vermeidung einer solchen Gefahr verhindern.“
Von der Staatsanwaltschaft liegt noch keine Bestätigung über den Eingang der Anzeige vor.
Dietrich Stobbe: Ein Gentleman hat die Berliner Bühne verlassen
Dietrich Stobbe, er konnte den Ostpreußen nie ganz verheimlichen, ist tot. Wie so üblich, überraschte mich die Nachricht unterwegs, kam aus dem Autoradio. Meine erste Reaktion: Wieder zu spät. Warum?
Es gehört zu den Eigentümlichkeiten meines Lebens, fast immer zu spät zu kommen. Menschen, mit denen mich einiges oder gar viel verband, verabschiedeten sich aus dem Leben, bevor ich noch einmal mit ihnen sprechen konnte.
Dietrich Stobbe sah und sprach ich zuletzt im Reichstag. Wir nahmen gemeinsam am Empfang aus Anlass des 20. Jahrestages der Wiedervereinigung im Anschluss an die beeindruckende Feier zum 3. Oktober vor dem Portal: „Dem Deutschen Volke“ teil.
Die Freude über die Begegnung war beidseitig. Wir erinnerten frühere Zeiten, besonders an das einstündige Gespräch im Sommer 1963 im Büro des damaligen Referenten von Jugendsenator Kurt Neubauer. Ausgangspunkt war ein offener Brief an den damaligen Bürgermeister Heinrich Albertz (SPD), veröffentlicht in der Berliner Morgenpost. Stobbe sollte ein Gespräch mit dem Jugendsenator vorbereiten (später folgte auch ein Gespräch, das eher einer Auseinandersetzung gleichkam, mit Albertz im Schöneberger Rathaus).
Dietrich Stobbe warb sehr um mich und versuchte mich davon zu überzeugen, das man „solche Menschen wie Sie“ in der SPD brauche. Auch die Zusage, er „werde ein Auge auf mich“ haben, konnte mich nicht überzeugen. Abgesehen davon, dass weder Stobbe noch ich ahnten, dass dieser vierzehn Jahre später Regierender Bürgermeister sein würde, lehnte ich sein Werben ab. Mich verbänden zwar mit der Sozialdemokratie viele Inhalte im sozialen Sektor, allein wegen der deutschlandpolitischen Vorstellungen (z.B. „Wandel durch Annäherung“ an eine Diktatur) könne ich mich nicht entschließen, seiner Partei beizutreten.
Lachend fragte Stobbe im Reichstag, ob seine Werbung denn später Erfolg gehabt hätte? Ich verneinte, erwähnte aber dann doch, über drei Jahrzehnte überzeugter Gewerkschafter (und Betriebsratsvorsitzender) gewesen zu sein. Am Ende lud uns (meine Partnerin und mich) das Ehepaar Stobbe zu einem Kaffe nachhause ein. Wir tauschten unsere Karten aus und ich versprach seiner reizenden Frau, gerne anzurufen und einen Termin zu vereinbaren („vielleicht in der Weihnachtszeit“).
Stobbe hatte zwar älter ausgesehen, als es sein Alter vermuten ließ und ging am Stock. Hätte ich auch nur geahnt, wie es um ihn stand, hätte ich unsere Termine anders geordnet, hätte schneller zum Telefon gegriffen. Wie gerne hätte ich noch einmal ohne politischen Zwang mit diesem Menschen über die Ereignisse im Schatten der Mauer, über den überwältigenden 9. November 1989, über unsere seinerzeitigen Träume und Vorstellungen diskutiert. Jetzt ist es zu spät. Wieder einmal.
Jetzt bleibt mir nur die Erinnerung an einen geradlinigen Menschen, dem ich in meinen jungen Jahren des stürmischen Protestes gegen die Mauer begegnen durfte und in dem ich nie einen Apparatschick gesehen hatte. Mein tiefes Mitgefühl gilt seiner Frau und seiner Familie.
Dietrich Stobbe, geboren am 25. März 1938 in Weepers, Ostpreußen, starb am 19. Februar 2011 nach schwerer Krankheit in Berlin.
Carl-Wolfgang Holzapfel, 19.02.2011
Willkommen im Widerstand – Auch die VOS protestiert
Endlich einmal eine gute Nachricht: Die VOS hat sich dem Protest der Vereinigung 17. Juni gegen die beabsichtigte Schredderung der Ausstellung am Alexanderplatz (siehe Beitrag vom 17.o9.2010) angeschlossen. Zwar wird auf die Vereinigung kein Bezug genommen (wohl nach dem Motto: Getrennt marschieren – getrennt schlagen), aber die Verantwortlichen sehen das gelassen. Wichtig ist der massive Protest gegen ein unsinniges, Geld-vernichtendes Vorhaben (Die Ausstellung soll immerhin über eine Million Euro gekostet haben).
Warum die VOS allerdings ihren Protest erst am 28. September unter dem getürkten Datum „20.09.“ in ihre Seite einstellte, wissen nur die Verantwortlichen selber.
Mauerdemonstrant hofft weiterhin, dass sich die Verbände wieder zu einem gemeinsamen Vorgehen durchringen und die gemeinsamen Anliegen über die Personen-zerfetzenden Auseinandersetzungen stellen.
Und wenn sich auch noch die UOKG als Dachverband an dem berechtigten Protest gegen den unmoralischen Vernichtungs-Auftrag dieser wichtigen Ausstellung beteiligt, wäre das ein wichtiger Auftakt zu wieder mehr Gemeinsamkeit der Verfolgten-Verbände.
Aufruf: Blockiert den Abriss der Alex-Ausstellung
Nach einem Bericht im TAGESSPIEGEL soll die Wende-Ausstellung am Alexanderplatz nach dem 3. Oktober (Tag der Einheit) „geschreddert“ werden.
Meine Meinung:
Waren das noch Zeiten, als ein Boulevard-Blatt gegen den Abriss der Turmruine der einstigen Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche mobil machte. Das Blatt stellte sich als Medium für eine einzigartige Unterschriftensammlung zur Verfügung – mit Erfolg.
Der Architekt musste seine Pläne überarbeiten, der „Hohle Zahn“ wurde zwischen „Lippenstift“ und „Puderdose“ in die neue KWGK einbezogen und gehört heute zu den international berühmten Wahrzeichen Berlins.
Warum stellt sich nicht DER TAGESSPIEGEL in den Dienst einer guten Sache? Und fordert seine Leser und die Berliner zu Protest-Unterschriften auf? Die Ausstellung am Alexanderplatz ist nicht nur eine der erfolgreichsten Events dieser Stadt, sie ist ein beispielloses Geschichtsdokument, welches eindrucksvoll an d a s Ereignis im ausgehenden 20. Jahrhundert erinnert.
Der offensichtlich geschichtslose Stadtrat im Bezirk Mitte sollte endlich einmal auch von seiner Partei zur Ordnung gerufen werden. In schlechter Erinnerung sind seine selbstherrliche Verweigerung eines „Platz des 17. Juni“ vor dem Bundesfinanzministerium mit fadenscheiniger Begründung. Diese Stadt braucht wieder Menschen an den Schalthebeln der Verantwortung, die sich der Geschichte verpflichtet fühlen und nicht ihre Position missbrauchen, um die eigenen offenbar sehr beschränkten Geschichtsbetrachtungen durchzusetzen. Das hatten wir schon 40 Jahre lang ertragen müssen, diese Zeiten sollten endgültig vorbei sein.
Berliner, ob einst aus dem Osten, ob einst aus dem Westen: Wehrt Euch gegen diese Verschredderung der eigenen Geschichte, leistet Widerstand, blockiert den Abbau dieser wichtigsten Dokumentation der letzten 20 Jahre. Notfalls gibt es am Checkpoint Charlie genug Platz, um diese Ausstellung bis zu einer endgültigen Regelung zu retten. Nämlich an der Stelle, wo einst Hunderte Kreuze an die Toten der Mauer und der Teilung erinnerten.

Tatajana Sterneberg von der Vereinigung 17. Juni: "Dieses Zeugnis unserer jüngsten Vergangenheit muss erhalten bleiben!"
Fotos: (c) 2010 LyrAg
Sarrazinaden und Sirenenklänge
Nun hat es die Political-Correctness-Connection geschafft. Sarrazin wirf das (berufliche) Handtuch. Willkommen im Club der Jenningers, Hohmanns & Co. Das ist ja nicht neu in unserer neuen DDR. Wer ausspricht, was die Mehrheit denkt und die (führende) Minderheit nicht lenkt, ist neudeutsch out.
Klar: Früher stand die Gestapo, später die Stasi vor der Tür. Das ist heute (noch) erträglicher: Der unliebsame Leserbriefschreiber wird mit einem Salär aus dem Beruf gekippt; der freche hungerstreikende Herausforderer eines Ministers wird mit einer Abfindung versehen und um seine Karriere gebracht; ein Bundestagspräsident wird an den Pranger gestellt und verbal zur Demission geleitet (weil er eine Rede falsch betont hat, also wohl doch kein Schauspieler war); einem Bundestagsabgeordneten wird die Rede im Munde verdreht – sein politisches Aus.
Andere sind sensibler, packen noch zu einer Zeit ihre (politischen) Kleider in den Koffer und wechseln (in die Wirtschaft), ehe sie gewechselt werden. (Hat da einer „Merz“ oder „Koch“ geflüstert?)
Während also die Sarrazinaden schrill durch die Lande tönen, erklingen die Sirenenklänge unter Anführung der Kanzlerin medial durch die Republik: Die Bundesbank solle ihrer Verantwortung gerecht werden (und Sarrazin feuern?) und: Vertrauen in die Unabhängigkeit der Bundesbank ist ein Credo unseres Staates genauso, wie die Meinungs- und Gedankenfreiheit.
Der heftig umstrittene Buch-Autor hat sich das zu Herzen genommen. Für seine Gedanken- und Meinungsfreiheit hängt er lieber seinen lukrativen Bank-Job an den Nagel. Was die verbleibenden Bezüge oder Einmal-Zahlungen nicht richten, das spülen die Buch-Honorare in die Familienkasse.
Und so lange das so ist und (noch) keine Ledermäntel Herrn Sarrazin „zur Klärung eines Sachverhaltes“ die Aufwartung machen, so lange dürfen wir uns einhämmern, das alles nicht so schlimm ist, wie es aussieht. Hoffentlich bleibt das noch möglichst lange so. Denn die (aussterbenden) Alten wissen noch, wie schnell man in einer Diktatur aufwacht, weil man versäumt hat, rechtzeitig die Stimme zu erheben oder sich gar gegen die Boten der Unfreiheit zur Wehr zu setzen.
Ach ja: Die Jugendrichterin dürfte, wenn sie es denn irgendwoher verfolgen kann, eigentlich froh sein, wenn ihre Buchhonorare den Erben zufließen und sie sich den Ritt durch die Mobbing-Meinung erspart hat. Sarrazin hat gezeigt, wohin es führen kann, wenn man nicht einer momentanen Verzweiflung nachgibt… Man wird dem Boulevard zum Fraß vorgeworfen.
Siehe auch: http://www.medienfabrik-b.de/beta01/texte/sites/gesellschaf/gesellschaft05.html#sarrazin01
Hungerstreik gegen Israel
Eben komme ich von Firas Maraghy, der in der August-Viktoria-Straße schräg gegenüber der Israelischen Botschaft seit 39 (!) Tagen einen Hungerstreik durchführt.
Ich mache mir Sorgen. Firas sieht man jeden Tag mehr die Strapaze seines berechtigten Protestes an. Hohlwangiger sieht er aus. Die hagere Gestalt wirkt noch hagerer angesichts seiner Größe von über 1,80 Metern. Aber seine Augen blitzen immer noch voll Überzeugung und Gewißheit, sein Ziel zu erreichen. Und seine acht Monate alte Tochter gluckst laut, als wolle sie dem Vater schon jetzt Dank sagen für sein Engagement, das auch ihrer Zukunft gelten soll. Die Ehefrau und Mutter Wiebke lächelt ihrem Mann zu. Und ich bin mir nicht mehr sicher, ob dieses Lächeln noch so frei von Sorgen um das Leben ihres Mannes ist. Auch wenn die ebenso tapfere Deutsche alles vermeidet, was ihrem palästinensischen Mann den Mut nehmen könnte.
Aber wir, Unterstützer und Freunde, sprechen am Rande nun doch über die Möglichkeiten, die sich „danach“ ergeben könnten, müssten. Meiner Idee, den von der Botschaft vermutlich erleichternd zur Kenntnis genommenen Zusammenbruch von Firas Maraghy mit einer unmittelbaren Fortsetzung des Hungerstreiks durch eine weitere Person zu begegnen, wird mit großer Zustimmung bedacht. Und ich stelle mir die Frage , ob ich nicht vielleicht …? Schließlich habe ich doch schon einige Hungerstreiks durchgeführt.
Bei aller Sympathie für das berechtigte Anliegen von Firas, ein dauerndes Heimatrecht in seiner Geburtsstadt Jerusalem zu erhalten: Als Deutscher verbietet sich mir ein Hungerstreik gegen Israel, aus welchen Gründen auch immer. Ich stehe nicht in der Schuld, aber in der historischen Verantwortung gegenüber dem jüdischen Volk. Das „Warum“ brauche ich nicht zu erklären.
Aber mit ganzem Herzen, mit Wort und Schrift werde ich weiter dafür eintreten, dass Firas Maraghy seine zustehenden Rechte erhält. Das Israel begreifen möge, dass menschliche Entscheidungen keine Schwäche, sondern eine große Stärke sein können. Israel ist souverän, es sollte souverän handeln. Dieser Staat hat es nicht nötig, sich an den Diktaturen dieser Welt zu orientieren, seine tatsächliche Macht in allen Nuancen auszuspielen. Dieser Staat kämpft seit Jahrzehnten gegen den erklärten Willen seiner wirkliche Feinde, ihn zu vernichten. Das sollte Israel nicht daran hindern, auf dem Boden seiner historischen traumatischen Erfahrungen für die Rechte von Menschen einzutreten, auch für die eines Firas Maraghy, dessen Familie seit über 150 Jahren auch in Jerusalem wohnt.
http://www.tvb.de/newsmeldung/datum/2010/09/02/hungerstreik-vor-israels-botschaft.html
http://www.tagesspiegel.de/autoren/Richard+Szklorz
http://www.jungewelt.de/2010/08-26/005.php
http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,711297,00.html
http://www.fr-online.de/panorama/nahostkonflikt-im-villenviertel/-/1472782/4554498/-/inde
http://www.taz.de/1/berlin/artikel/1/wie-der-nahostkonflikt-in-den-grunewald-kam/
http://www.neues-deutschland.de/artikel/176860.palaestinenser-im-hungerstreik.html
http://www.freitag.de/alltag/1033-hunger-nach-heimat
http://www.pressrelations.de/new/standard/dereferrer.cfm?r=421949
http://www.hagalil.com/archiv/2010/08/16/jerusalem-17/
http://www.welt.de/vermischtes/article9296634/Palaestinenser-hungert-fuer-Einreise-nach-Israel.html
http://www.sarsura-syrien.de/hungerstreik-fuer-familienzusammenfuehrung-4319.html
http://www.moz.de/nachrichten/berlin/artikel-ansicht/dg/0/1/251601/
Hungerstreik: Thierse fordert humanitäre Lösung
Bundestagsvizepräsident spricht in israelischer Botschaft vor
Berlin, 30.08.2010/cw – Seit 35 Tagen sitzt der Palästinenser Firas Maraghy schräg gegenüber der israelischen Botschaft unter einem Baum und hungert. Zunächst fast unbeachtet berichten seit acht Tagen diverse Medien zunehmend über das Anliegen des verzweifelten Mannes. Heute bekam der Hungerstreiker erstmals offiziellen Besuch: Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse (SPD) besuchte den Palästinenser in der Auguste-Viktoria-Straße, um dessen Motive zu erfragen. Danach begab sich der Politiker in die Botschaft, um sich für das Anliegen argumentativ einzusetzen.
Firas Maraghy lebt seit einigen Jahren in Deutschland, hat hier eine deutsche Frau geheiratet, mit der er seit sieben Monaten eine Tochter hat. Doch auch in Berlin holte den palästinensischen Gast die hohe Politik ein. Seit Generationen lebt seine Familie in Jerusalem, das bekanntlich zwischen Israelis und Palästinensern als jeweils beanspruchte Hauptstadt umstritten ist.
Und so verweigern die Israelis dem Palästinenser Maraghy das verbriefte Recht, jederzeit in seine Heimatstadt zurückkehren zu können. Sollte er an einem weiteren Aufenthaltsrecht interessiert sein, müsse er für mindestens 17 Monate wieder nach Jerusalem ziehen. Und die Familie? Die hat kein Aufenthaltsrecht, da die Ehefrau Deutsche ist, von der Tochter ganz zu schweigen. Firas Maraghy möchte weder seine junge Familie über ein Jahr alleine lassen, nur um ein „Menschenrecht auf Heimat“ durch eine unmenschliche Trennung zu erschleichen. Maraghy fordert ein unbegrenztes Rückkehr- und Einreiserecht als Bürger Jerusalems und eine Wahlmöglichkeit für seine Tochter zumindest bis zum 18. Lebensjahr. Das lehnt Israel ab.
Und nun hungert ein sich um sein Heimatrecht betrogen fühlender Vater seit fünf Wochen, um die Welt auf dieses Unrecht aufmerksam zu machen und hoffend, dass Israel letztlich dem humanitären Anliegen Rechnung trägt.
Nach einer guten halben Stunde verließ Wolfgang Thierse die Botschaft und informierte den Demonstranten über das Ergebnis seiner Bemühungen: Der Gesandte habe ihm, Thierse, zugesagt, dass Firas Maraghy in Jerusalem „einen kompetenten Gesprächspartner“ vermutlich aus dem Innenministerium haben werde und man vor Ort eine „humanitäre Lösung für sein Problem suchen und anstreben“ wolle. Thierse appellierte an Maraghy, „dieses Angebot“ anzunehmen und sich “nicht zu Tode zu hungern“.
Maraghy bedankte sich für Thierses Engagement, er wolle sich mit seiner Frau, die mit Tochter anwesend war, und seinen Freunden beraten. Vor Ort schlossen sich heftige Diskussionen an. Jüdische Mitbürger, palästinensische Freunde und viele Unterstützer aus unterschiedlichen politischen Lagern debattierten über den Einsatz des SPD-Politikers, über Erfolg oder Misserfolg der Mission.
Die Vereinigung 17. Juni, die Maraghys Anliegen vor Ort unterstützt und durch den Vorstand vertreten war, appellierte heute an die verantwortlichen Entscheidungsträger, der Humanität den Vorrang vor politischen Ränkespielen einzuräumen: „Sich einer menschlichen Lösung zu verweigern, wäre ein Zeichen der Schwäche, eine humanitäre Lösung zu finden ein Zeichen der Souveränität und Stärke,“ betonte ihr Vorsitzender Holzapfel vor Ort. „Gerade von Israel, dessen Gründung einer vorhergegangenen beispiellosen Verfolgungs- und Mordszenerie folgte, sei eine erstrangige Vertretung humanitärer Rechte von Menschen unabhängig von deren Rasse oder Volkszugehörigkeit zu erwarten.“ Die Vereinigung 17. Juni sei sich mit der Familie des Hungerstreikenden einig, das die „Lösung eines weltpolitischen Problems nicht unter der Baumkrone in einer Berliner Straße“ erfolgen könne. Um so mehr unterstütze die Vereinigung „jeden Versuch und jede Bemühung, der Familie zu ihren international verbrieften Rechten zu verhelfen und eine humanitäre Einzelentscheidung herbeizuführen,“ so der Vorstand.
Fotos – © 2010 Vereinigung 17. Juni 1953 e.V.
Wieder in der DDR angekommen?
Man muss ja nicht die Thesen von Thilo Sarrazin teilen. Man kann, ja man sollte auch einigen Thesen energisch widersprechen. Aber: Man sollte hart aber fair diskutieren über ein Thema, das Dank Sarrazin (und Dank einer ums Leben gekommenen Jugendrichterin) in die Öffentlichkeit getragen worden ist. Diese Diskussion ist nicht nur notwendig in einer Demokratie, sie war, sie ist überfällig.
Doch haben wir noch diese Demokratie, wie sie sich unsere Gründerväter einst vorgestellt haben? Oder wie wir sie als junge Menschen in den jungen Jahren der (alten) Bundesrepublik erfahren durften? Ich erinnere mich noch gut an eine Begebenheit Anfang der sechziger Jahre. Als junger Demonstrant gegen die Mauer veröffentlichte eine Wochenzeitung in (West-) Berlin in zwei Folgen einen Artikel von mir: „Albertz degradiert Polizisten zu Mauerwächtern“. Heinrich Albertz war Innensenator und Bürgermeister von Berlin.
Nun war ich ja zu diesem Zeitpunkt „öffentlich Bediensteter“, als Reklamearbeiter bei der BVG (Berliner Verkehrs-Gesellschaft) beschäftigt. Solche Zeilen ließen sich nach heutigem allgemeinen Verständnis „nicht mit den Pflichten eines öffentlich Bediensteten“ vereinbaren. Damals jedoch kam es weder zu einer Rüge noch zu einer Ermahnung durch Vorgesetzte oder gar durch eine staatliche Stelle. Im Gegenteil wurde ich auch von Heinrich Albertz (SPD) zum politischen Diskurs ins Rathaus Schöneberg eingeladen…
Auch das hat meine Überzeugung für diese Demokratie gestärkt. Dass ich Mitte der siebziger Jahre ausgerechnet im schwarzen Bayern wegen eines Leserbriefes auf Druck des Innenministeriums meine hoffnungsvolle Karriere in einer Sparkasse aufgeben musste, war dann eine bittere Lektion…
Seit einigen Jahren, besonders nach der Wiedervereinigung (offiziell: Beitritt der DDR)
geht diese erlebte Meinungsfreiheit ihrem Untergang entgegen, wird unheimlich unbeachtet zum Meinungsterror. Unheimlich deswegen, weil diese „Meinungsstruktur“ (noch) nicht an einem Ministerium, an einer Institution festzumachen ist. Sie hat sich schleichend etabliert, wird als „Konsens“ unwidersprochen nicht nur akzeptiert, sondern breit durch entsprechende Kampagnen unterstützt.
Der Fall Sarrazin ist nur ein Beispiel und hier ein bisheriger Höhepunkt. Statt Warnungen vor einer gefährlichen Beschränkung der Meinungsfreiheit, ihrer energischen Verteidigung ohne „Wenn“ und „Aber“ mischt sogar die Bundeskanzlerin mit, fordert Konsequenzen der Bundesbank gegen den Buchautor. Und alle, alle stimmen ein.
Da stellt sich dem „Mauerdemonstranten“ nicht nur die Frage, ob er für diese Form der „Freiheit“ einst die eigene Freiheit riskiert (und vorübergehend verloren) hatte? Es stellt sich auch die (übrigens versteckt, also unter der Oberfläche schon längst diskutierte) Frage, ob die DDR der (alten) Bundesrepublik beigetreten ist oder nicht viel mehr die Bundesrepublik der DDR? Natürlich ist das (noch) nicht die alte DDR, mit Stasi gegen und Zuchthäusern für politisch Andersdenkende. Bewahre. Aber eine „Freie Deutsche Demokratische Republik“ ist doch wohl im Ansatz schon vorhanden, oder? Und die Gefahr ist nicht von der Hand zu weisen, dass eines Tages Kampagnen gegen Andersdenkende nicht mehr ausreichen, weil sich zu Viele damit identifizieren (infizieren). Dann reicht die Maßregelung und Verdammung eines Mitgliedes der Bundesbank und zuvor immerhin geachteten Politikers der SPD nicht mehr aus. Dann ist der Schritt zu polizeilichen und letztlich justiziellen Maßnahmen gegen die „Störer der öffentlichen Ordnung“ nicht mehr groß sondern wird bedenklich klein.
Hallo, wieder in der DDR angekommen?