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Verbote sind Vorboten der Demokratie-Bestattung

26. August 2011 1 Kommentar

Berlin, 26.08.2011 – Zugegeben, auch ich gehörte einmal zu denen, die Verbote für ein adäquates Mittel hielten. 1990 schrieb ich an den damaligen Innenminister Wolfgang Schäuble und forderte ein Verbot der PDS. Dabei erinnerte ich an das NS-Verbot der Alliierten nach dem Ende des zweiten Weltkrieges. Schäuble lehnte seinerzeit mit der Begründung ab, das Problem werde sich von allein erledigen.

Die Begründung war obskur, die Nachfolger der SED feiern nach ihren Häutungen als DIE LINKE etablierte Erfolge. Aber war die Entscheidung des heutigen Finanzministers deswegen falsch?

Nach dem CSU-Generalsekretär fordert nun auch Sachsens JU-Vorsitzender Alexander Dierks (23) in wohl nachfolgendem Gehorsam das Verbot der linken Partei (http://www.bild.de/regional/leipzig/parteiverbot/ju-chef-will-linke-verbieten-19593506.bild.html). Der einzige wohl ehrenwerte Unterschied zu sonstigen Politikern (fast aller Coleur): Generalsekretär Alexander Dobrindt fordert auch ein Verbot der (rechtsradikalen) NPD. Aber sind Verbote zulässige Mittel der Demokratie?

Zwanzig Jahre nach meiner Verbotsanregung meine ich NEIN. Verbote sind Vorboten der Demokratie-Bestattung. Warum?

Eine Demokratie muss auch Extreme aushalten können (Günter Schabowski), von beiden Seiten, solange diese sich im politischen, also im dafür vorgesehenen Raum aufhalten und bewegen. Die bestehenden Gesetze reichen aus, um kriminelle Exesse mit dem Strafgesetzbuch zu bekämpfen. Verbote politischer Gegner erwecken nicht nur den Verdacht, unliebsame Kritiker scheinbar legal aus dem Wege räumen zu wollen, sie öffnen auch breit das Tor für jene Extremisten, die schon jetzt verkünden, ihre politischen Gegner einst erneut zu verbieten, wohlmöglich in Zuchthäusern oder neuen KZs verschwinden zu lassen. Ausgerechnet die Gegner der Demokratie könnten sich dann einst auf das Verbots-Erbe der Demokratie berufen.

So hässlich und abartig die nostalgische Verblumung der DDR und ihrer Mord-Mauer klingt, so widerwärtig die nostalgische Verklärung der NS-Zeit durch Knobelbecher-Halbstarke ist, wir müssen diesen historisch widerlegten Aberwitz mit den guten und vorhandenen Argumenten einer freien Gesellschaft begegnen. Wir müssen uns die freilich anstrengende Mühe machen, die Demokratie offensiv, jeden Tag zu verteidigen. Wir müssen das dauerhafte Gespräch mit den gedankliche Verquerern in den extremistischen Lagern suchen, ihnen die Kraft der Demokratie durch Taten vermitteln: Wir teilen nicht Eure Meinung, aber wir werden immer dafür eintreten, dass ihr eure Meinung vertreten dürft.

Damit stärken wir auch den Querdenkern, die es sowohl bei den SED-Nachfolgern als auch in den Reihen der NPD gibt, den Rücken. Das wäre, das ist gelebte Demokratie. Alles andere wäre von Übel.

Herr Dobrindt, Herr Dierks, verabschieden Sie sich möglichst schnell von diesen populistischen Verbots-Anträgen. Suchen Sie das Gespräch, die demokratische Auseinandersetzung. Bewahren und verteidigen Sie die Werte unserer Demokratie. Verbote sind verfassungsfeindlich, sind die Vorboten, die direkt zum Grab für unsere Verfassung führen.
Meint zumindest mauerdemonstrant.

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