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Süddeutsche Zeitung als Mentor der VOS? – DDR-Opferverband spricht vorab von „bevorstehendem“ SZ-Bericht
Steht der größte DDR-Verfolgtenverband (Vereinigung der Opfer des Stalinismus – VOS) zum 60jährigen Bestehen vor einem medialen Durchbruch? Die angesehene überregionale Süddeutsche Zeitung, eine der wichtigsten und größten Tageszeitungen in Deutschland, scheint nun mit dem Verband eng zu kooperieren, will man den gezielten Indiskretionen am Rande der jüngsten Generalversammlung des Verbandes Glauben schenken.
Jedenfalls erscheint es nach Meinung von sogen. Insidern als ungewöhnlich, dass im Verband bereits intern – und über Emails -verbreitet wird, die SZ recherchiere für einen weiteren Artikel über den ehemaligen stellvertretenden Vorsitzenden der VOS und dessen Vergangenheit bei den Republikanern. Bereits vor der Veröffentlichung des ersten Artikels „Eine Familie in Deutschland“ vom 26.03.2010 kursierten im Verband interne Mails über den bevorstehenden „großen Bang“ gegen den einstigen Vorstands-Kameraden.
Die Süddeutsche hatte aus der Urteilsbegründung eines Scheidungsurteils vor dem Amtsgericht München und aus den Ergebnissen der nichtöffentlichen Verhandlung berichtet. Durch den Verband waren bereits vor der Verkündung des Scheidungsurteils Informationen über dessen Inhalt verbreitet worden, der damit einmal mehr bewies, über hervorragende Kooperationen zu verfügen.
Das Thema „Mitgliedschaft bei den Republikanern“ war bereits im vergangenen Herbst mit tatkräftiger Unterstützung eines Berliner SPD-Abgeordneten und eines befreundeten Agentur-Journalisten transportiert worden. Dabei hatte sich der Pressesprecher des Verbandes, Ronald Lässig, nicht gescheut, zum Mittel der Lüge zu greifen, als er wahrheitswidrig für die Medien erklärte, die VOS habe von dieser Mitgliedschaft des ehemaligen Vorstandsmitgliedes „nichts gewusst“. Lässig hatte hingegen bereits im Februar 2009 an einer Vorstandssitzung teilgenommen, auf der die REP-Mitgliedschaft eingehend diskutiert und mit einem Vertrauensvotum für den einstigen stv. Bundesvorsitzenden abgeschlossen worden war.
Bleibt abzuwarten, ob die als seriös eingestufte Süddeutsche Zeitung den offensichtlichen Missbrauch ihrer Recherchen für vereinsinterne Auseinandersetzungen goutiert und entsprechend den Vorstellungen und Ankündigungen der VOS mit der „rechtsradikalen Vergangenheit“ eines ehemaligen Vorstandsmitgliedes aufmacht.
Den Traditionen der berühmten Seite 3 entsprechend könnte die SZ natürlich auch über gewisse Unredlichkeiten in einem „Opferverband des Stalinismus“ berichten. Dagegen spricht einstweilen das augenscheinliche Zusammenwirken zwischen der SZ und dem Verband, zumindest zwischen dessen Pressesprecher und vorgeblichem „Redakteur der Tagesschau“ und der seriösen Berlin-Korrespondentin dieser angesehenen Zeitung aus dem blau-weißen Süden Deutschlands.
Vorwürfe, Urheber und die schwere Suche nach der Wahrheit
Zugegeben, für den Pressesprecher der „Vereinigung der Opfer des Stalinismus (VOS)“ war das ein Leckerbissen: Diffamierte doch die Süddeutsche Zeitung auf einer ganzen Seite den zur Unperson gewordenen ehemaligen stv. Vorsitzenden der VOS, indem sie diesen als „Kinderschänder“ bezeichnete. Ronald Lässig, so heißt besagter Pressesprecher und vorgeblicher Redakteur bei der „Tagesschau“, wusste schon vor der Verlesung des Scheidungsurteils in München (13.Januar 2010) von dem Inhalt der Begründung für die Versagung des Versorgungsausgleiches. Kaum zu glauben, dass die Richterin selbst Unterlagen aus einer nichtöffentlichen Verhandlung lanciert hat. Wer aber dann?
Jedenfalls informierte Lässig bereits im Dezember 2009 (!) seinen „Freund“ bei einer Nachrichtenagentur, der dann auch prompt entsprechende Fragen an den männlichen Part der Scheidung mailte. Dieser Freund hatte sich bereits im Oktober letzten Jahres als zuver-Lässig erwiesen und im Zusammenspiel mit einem ebenso zuverlässigen Genossen in der SPD-Fraktion des Abgeordnetenhauses von Berlin den Versuch unternommen, den Delinquenten als „rechtsradikalen Kommunistenfresser“ und „Deutschnationalen“ zu diffamieren. Vom Zusammenspiel des Trios her (siehe auch http://www.17juni1953.de unter „Presse“) funktionierte das perfekt, vom Ergebnis der beabsichtigten Verunglimpfung auf der üblichen AntiFa-Schiene her eher nicht. Da kam ein nicht-rechtskräftiges Scheidungsurteil in München gerade richtig. Bereits seit Januar kursierten dann Mails von eingeweihten VOS-Mitgliedern, die den großen „Bang“ gegen das ehemalige Vorstandsmitglied ankündigten. Der Titel mit seinem unterschwelligen Bezug auf „Deutsch-National“ versprach dann auch, was er inhaltlich hielt: „Eine Familie in Deutschland“.
Die seriöse Süddeutsche Zeitung nutzte ihr Ansehen, um aus den nichtöffentlichen Unterlagen zu zitieren und zu postulieren: Vorsicht, hier ist ein Kinderschänder unterwegs. Die Formalie, dass hier der Adressat der Vorwürfe mit Buchstaben-Anführung des Familiennamens (unter Ausschreibung des vollen Vornamens) zitiert wurde, sollte eine Seriosität suggerieren (Natürlich wurden die anderen Beteiligten nur unter Pseudonym benannt.), die allerdings in dem Artikel weitgehend auf der Strecke blieb. Dem fleißigen Pressesprecher der VOS blieb es dann vorbehalten, auch den Familiennamen in aller Breite zu publizieren. Schließlich weiß man in der VOS, was man Kameraden schuldig ist: Schonungslose Offenheit. Die bleibt zwar außen vor, wenn es um ungesetzliche Machenschaften in der Vorstandsetage geht, aber das ist ein anderes Thema.
Inhaltlich führt die Autorin des SZ-Artikels alle belastenden Behauptungen und Äußerungen an, verzichtet aber auf die Hinterfragung vorgeblicher „Fakten“. Warum „missbrauchte“ der Beschuldigte seine Tochter über „vier Jahre“, um sich dann nach Jahren „der Enthaltung“ seinem jüngsten Sohn „missbräuchlich“ zuzuwenden, und das erst nach seinem Auszug aus dem familiären Verbund? Warum „missbrauchte“ der Angeprangerte nicht seinen ältesten Sohn (nachdem er sich von der Tochter „abgewandt“ hatte)? Warum nicht seinen jüngsten (adoptierten) Sohn aus zweiter Ehe? Warum ließ „der Täter“ überhaupt von seinen „Opfern“ ab? Fragen, die eine seriöse Zeitung und ihre seriöse Autorin durchaus hätten stellen können, aber vielleicht gar nicht stellen wollten?
Hier soll nicht ein ernstes Thema verballhornt werden. Der Missbrauch von Menschen, ob an Kindern oder Erwachsenen, ist dafür viel zu ernst, zumal bei Kindern. Aber zu den Berichterstattungen, wenn sie denn den Anspruch auf Seriosität erheben, gehören nicht verhandelbare Grundregeln. Zu denen gehören die strikte Beachtung rechtsstaatlicher Grundsätze (auch wenn sich manche Medien außerhalb dieser Rechte stehend wähnen), wonach z.B. ohne rechtswirksames Urteil in der Sache nicht Behauptungen in die Landschaft geknallt (oder getitelt) werden dürfen, die geeignet sind, jedwede Reputation einer Person oder einer Familie dauerhaft zu zerstören. Dazu gehört eine intensive Recherche (sowie notwendige Hinterfragung) und die gleichgewichtige Veröffentlichung von Ergebnissen. Dazu gehört die Einbindung von Veröffentlichungen des um sich greifenden „Missbrauchs mit dem Missbrauch“, denen in den letzten Jahren zahlreiche Menschen zum Opfer fielen, die teilweise mehrere Jahre wegen dieser (übrigens von Gutachter und Psychologen „untermauerten“) Vorwürfe in Haftanstalten zubringen mussten. Wer will eigentlich diese „Opfer“ jemals von deren Traumata befreien, nachdem sich deren Unschuld herausgestellt hatte?
Das jetzt öffentlich diskutierte Thema ist zu wichtig, um dieses dem Boulevard schrankenlos auszuliefern. Sonst könnte es geschehen, dass unter dem Mantel der „Anprangerung von Unrecht“ neues Unrecht geschaffen wird (Auch die VOS wüsste darüber einiges – wenn auch aus einem anderen Feld – zu berichten). Den tatsächlichen Opfern von Missbrauch (oder „des Missbrauchs vom Missbrauch“) ist mit dieser Geld- und Schlagzeilen-trächtigen Vulgarisierung des Themas überhaupt nicht geholfen. Im Gegenteil. Sie werden erneut (für andere Zwecke) missbraucht.
Die Opfer jedweder Verbrechen (dazu gehören auch die Opfer sogen. „Jugendwerkhöfe“ der einstigen DDR wie der „Heimerziehung“ in der alten Bundesrepublik) brauchen ehrliche Anteilnahme, Aufklärung des Geschehens und Maßnahmen der Prävention. Tatsächliche Opfer von Gewalttaten sehen ihr Heil nicht in der Durchsetzung finanzieller Zielsetzungen (das könnte der Staat ohnehin nicht durch Geldleistungen ausgleichen). Tatsächliche Opfer wollen ernst genommen, als „Zeitzeugen“ in diese Diskussion, in die Prävention einbezogen werden. Dazu gehören Anhörungen zu Gesetzesvorhaben wie die Schaffung von Institutionen, die den einstigen (oder aktuellen) Opfern nicht nur ihr Ohr leihen sondern auch Hilfe bei der Bewältigung anbieten.
Und wenn diese Bemühungen medial seriös durch sensible, auf marktschreierische Möglichkeiten verzichtende Berichterstattungen begleitet werden, kann eine Gesellschaft auch dieses Thema spät, aber nicht zu spät, bewältigen.
Und noch eine – sehr persönliche – Anmerkung: Als Opfer vielfältiger Misshandlungen in der eigenen Jugend kann ich selbst nur den Rat weitergeben, sich weniger wegen dieser schrecklichen Erfahrungen am eigenen Leib und Leben selbst zu bejammern als vielmehr offensiv den Blick nach vorn zu richten, sich eher an den positiven Erfahrungen des Lebens zu orientieren. Dadurch gewinnen wir als Betroffene die notwendige Kraft, von unseren Erfahrungen ohne Schaum vor dem Mund offen zu sprechen und an Lösungen wirksam mitzuarbeiten, damit sich das eigene Erleben nicht weiter fortsetzen kann. Weder offen noch im Verborgenen.
P.S.: Übrigens ist dem Deutschen Presserat eine Beschwerde über den zitierten Artikel in der SZ übermittelt worden. Auf das Ergebnis darf man gespannt sein.