Führerschein, Innerer Reichsparteitag, der Führer und die Medien
Uns bleibt nichts erspart. Weder die Zitterpartie gegen die Slowaken noch mediale Ausrutscher unserer TV-Crews vor Ort im fernen Afrika. Da verplapperte sich doch eine geübte und gewiefte Sport-Moderatorin und verbreitet zur besten Sendezeit im ZDF, das Tor von uns Miro Klose sei diesem wohl ein „innerer Reichsparteitag“ gewesen. Und unser Titan Kahn, Kommentar-Partner unserer unglückseligen Sport-Reporterin? Er schwieg, überging diesen Fauxpas, als sei nichts Schreckliches geschehen. Ehe wir uns in eine Diskussion darüber einlassen konnten, was schrecklicher sei, diese Äußerung oder das nonchalante Überhören einer solchen, war der mediale Aufschrei in Deutschland so groß, dass dabei jede Diskussion im Keim ersticken musste. Sogar ein Verband der Kommunismus-Opfer meldete scharfen Protest gegen diese nazistische Äußerung im öffentlich-rechtlichen Fernsehen an und nutzte die Mitgliedschaft im Fernseh-Rat des ZDF, um härteste Konsequenzen zu fordern. Die blieben zwar aus, aber ZDF und Korrespondentin räumten zerknirscht einen Fehler ein und gelobten konsequente Besserung. Auch dazu schwieg der Titan, andererseits war ja dann schon alles gesagt.
Man könnte alsbald zur Tagesordnung übergehen, würde nicht schon wieder ein Skandal das Fußball-begeisterte Deutschland aus der Euphorie reißen. Gestern erwischte es die ARD. In einer Life-Schalte aus Südafrika sagte doch ein interviewter „Schwarzer“ (so der ARD-Reporter) wortwörtlich: „Ich bin der Führer“ in meiner Gruppe. Ja, sind denn alle verrückt geworden? Gerade haben wir den „inneren Reichparteitag“ halbwegs überstanden, schon wird über TV die Botschaft eines Afrikaners verbreitet, er sei der Führer?
Zugegeben, dass wir trotz der braunen Vergangenheit auch 65 Jahre später noch immer den Führerschein amtlich vermarkten, ist bisher keinem aufgefallen, vielleicht, weil die Verleihung jeden Tag so unübersehbar oft erfolgt. Denn sonst hätte man diesen schon längst in einen „Kfz-Führungsschein“ umbenannt, da bin ich mir sicher. Aber auch beim „Kfz-Führungsschein“ dürfen wir uns keinen Druckfehler leisten, das hätte dann in der Tat noch fatalere Folgen. Die totale Aufarbeitung der Vergangenheit ist schwer genug. Aber gerade deswegen dürfen wir nicht zulassen, dass uns (schon wieder) missverständliche Äußerungen quasi untergejubelt werden.
Der Mauerdemonstrant ist sich allerdings sicher, dass die Aufdeckung dieses neuerlichen Skandals, den allerdings skandalös bisher keiner bemerkt hat, Konsequenzen haben wird. Der genannte Opferverband wird garantiert tätig und könnte seine Position im Aufsichtsgremium des (ARD-)MDR nutzen, um den Aufschrei des Entsetzens mit der Forderung harter Konsequenzen zu verbinden. Man konnte sich ja im Fall Kachelmann schon trefflich einüben. Jedenfalls aber haben wir schon jetzt eine harte Konkurrenz zwischen „innerer Reichsparteitag“ und „ich bin der Führer“ um das Unwort des Jahres. Und wenn wir dafür Sätze brauchen, dann erfinden wir eben noch den „Unsatz des Jahres“.
Egal, welche Position in der Tabelle unsere Jungs noch erklimmen, der Ausflug nach Südafrika hat sich schon jetzt gelohnt. Denn wir sind wieder sensibel geworden für die Notwendigkeit der totalen Aufarbeitung in Bild, Wort und Schrift. Das allein ist ein Wert an sich. Danke, Miro Klose, danke Trainer, danke Mannschaft und danke ZDF und ARD.
Aber es wundert doch, wie aktuell das alles zu sein scheint. Erinnert doch fatal an „Monty Python“ und die Szene, in der einer gesteinigt werden soll, weil er „Jehova“ gesagt hat und am Ende hüpft und schreit „Jehova, Jehova, Jehova!!!“, worauf alle möglichen Leute gesteinigt werden, nur er nicht. Das steckt in diesen „Betroffenheiten“, denn „innerer Reichsparteitag“ ist besser als ein äußerer, aber diesem volkstümlich spottend nachempfunden. Es ist also bester Humor, Ironie auf die Aufgeblasenheit, die sprichwörtlich wurde. Mehr ist da nicht Aber wenn wer gesteinigt werden kann…